Bewährungsprobe – Strategien in der Krise

Die Ölpreiskrise führt 1973 zu spürbaren Einschränkungen wie Fahrverboten an Sonntagen. Vielen Menschen wird bewusst, dass die Zeit des Wachstums und des uneingeschränkten Energieverbrauchs endet. Auch die GSW steht vor einem Wandel. Sie stellt im Jubiläumsjahr 1974 fest, dass der Wiederaufbau „beendet“ sei und die Wohnungsnot im „großen und ganzen behoben“. Hohe Zinsen und steigende Baupreise erschweren das Bauen. Statt „in eigener Regie“ baut die GSW vermehrt Betreuungsprojekte und senkt so ihr unternehmerisches Risiko. Mitte der 1970er Jahre beträgt der Anteil solcher Bauvorhaben für kommunale und kirchliche Bauherren knapp ein Drittel des Bauvolumens. Dabei setzt die GSW auf ihre Erfahrung bei Finanzierung, Planung und Durchführung und beschäftigt allein in der Hauptstelle Frankfurt 64 Mitarbeiter, darunter 18 technische Angestellte.

Die Strategien zur Schaffung von Wohnraum sind inzwischen vielfältig. So wächst 1974 und 1975 der Eigenbestand um 180 Mietwohnungen durch Übernahmen. In der Bautätigkeit in diesen Jahren spiegelt sich die gesellschaftliche Entwicklung wider. Kirchengemeinden reagieren beispielsweise auf den Zuzug der sogenannten Gastarbeiter, für die die GSW in Frankfurt-Höchst ein „Italienerzentrum“ mit Wohnungen und Gemeinschaftsräumen baut.

 

Gesellschaft und Wohnungsbau im Wandel

In Frankfurt werden in den 1970er Jahren ganze Stadtviertel saniert, es werden Gebäude abgerissen und modernisiert, teilweise auch als reine Spekulationsobjekte genutzt. Hausbesetzer protestieren gegen die Stadterneuerung, es kommt in Frankfurt zum legendären „Häuserkampf“ mit harten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die GSW zählt Mitte der 1970er Jahre auch „Sanierungsverdrängte“ zu den „unterversorgten“ Gruppen, die nach Wohnungen suchen.

In vielen Regionen fehlt Bauland. Die GSW hat jedoch dank ihrer vorausschauendenden Grundstückspolitik der vorangegangenen Jahre Möglichkeiten zu bauen. Sie verdankt dies unter anderem dem Einsatz ihres Prokuristen Rudolf Göbel, der bei seinen Streifzügen in der Region nicht nur die Früchte wild wachsender Obstbäume erntet, sondern auch vielversprechende Baugrundstücke aufspürt.

Mit knapp 90 Mitarbeitern plant und errichtet die GSW weiter bevorzugt Eigenheime. Der Anteil von Eigentum steigt 1977 auch deswegen wieder auf mehr als die Hälfte, weil die Finanzierung des Mietwohnungsbaus schwerfällt. Daher fordert die GSW wie andere Gesellschaften mehr öffentliche Förderung und Unterstützung und setzt die Modernisierung im Bestand fort. Ging es in früheren Jahren noch darum, Heizungen und Bäder in den Wohnungen auf den neuesten Stand zu bringen, steht inzwischen die Energieersparnis im Vordergrund. Dies scheint nach den Ölkrisen der 1970er Jahre dringend nötig. Früh beschäftigt sich die Planungsabteilung mit energetischer Sanierung und erprobt unter anderem das Heizen mit Erdwärme und plant erste Passivhäuser.

 

Vielfalt der Aufgaben

Die Aufgabe, Wohnraum für Familien zu schaffen – insbesondere Eigenheime – hat weiter Priorität. Bis Ende der 1970er Jahre baut die GSW weiter vor allem Einfamilienhäuser. Allein 1979 werden mehr als 250 Wohnungen fertig gestellt, davon 119 Eigenheime. In Heusenstamm errichtet die GSW 1979 36 Eigenheime sowie ein Gemeindezentrum mit Clubräumen und Kegelbahnen auf 1300 qm Fläche. Bei diesem Vorhaben ist die Nähe zur barocken Pfarrkirche St. Cäcilia des Baumeisters Balthasar Neumann eine besondere architektonische Herausforderung, bei der die GSW zeigt, wie gut sie komplexe städtebauliche Aufgaben bewältigen kann.

Doch die Kaufkraft in der Bevölkerung sinkt, und die Herausforderungen beim Wohnungsbau steigen. Daher engagiert sich die GSW zunehmend im Bau von Altenwohnungen, nach denen die Nachfrage steigt.

In Hochheim erweitert die GSW ihre Anlage um 80 Altenwohnungen, andere Projekte betreibt sie gemeinsam mit den Caritasverbänden, bspw. in Dillenburg, Gießen und Lahnstein. Dabei soll der Krankenhauscharakter der frühen Jahre soll vermieden werden, Konzepte und Ausstattung werden angepasst. Hierzu arbeitet die GSW auch mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) zusammen, das sich seit 1962 mit Forschung und Beratung für die Verbesserung der Lebensbedingungen älterer Menschen einsetzt. Mit ihren Planungen verfolgt die GSW die Umsetzung eines ihrer Leitbilder: ein wertschätzendes Zusammenleben Menschen jeden Alters, das die Lebensqualität für alle sichert.

 

Sanieren und modernisieren

Als die Rezession überwunden scheint, weitet die GSW ihre Aufgaben aus.

Wo möglich, erweitert und modernisiert sie ihren Bestand. 1983 sind bereits 75 Prozent der Wohnungen energetisch auf dem neuesten Stand. Angesichts gekürzter Fördermittel des Landes erarbeitet die GSW 1984 einen 5-Jahres-Plan, der einen strukturierten Rahmen für Reparaturen und Erneuerungen bietet und langfristig einen Bestand an gut ausgestatteten Wohnungen sicherstellen soll.

Auch in der städtebaulichen Sanierung ist die GSW aktiv. Sie wird 1978 als offizieller Sanierungsträger des Landes Hessen anerkannt und gibt Angebote im Rahmen der Städtebauförderung ab. Von nun an liefert sie u.a. Vorüberlegungen für Nutzungskonzepte oder die Erarbeitung von Bebauungsplanentwürfen. In Camberg führt die GSW vorbereitende Untersuchungen durch, als 1980 der historische Altstadtkern modernisiert und saniert werden soll. In den kommenden Jahren intensiviert sie ihre Beratungstätigkeiten, die häufig zur Vorbereitung des Wohnungsbaus dienen.

Die Modernisierung betrifft auch die eigene Organisation: Seit 1981 erfasst eine EDV-Anlage die Mieteinnahmen und unterstützt die Finanz- und Bauführung. In Planung sind ein eigenes Gehaltsprogramm sowie ein System für Ausschreibungen, das koordiniert und Kosten kontrolliert. Ab 1983 arbeitet die Verwaltung dann mit einem hauseigenen EDV-System, insbesondere für den Einzug der Mieten und die Abrechnung der Umlagen.

Schwierig bleibt angesichts hoher Kosten immer noch der Bau von Eigenheimen. Die GSW versucht es daher mit einem „Sparhaus“ mit einfacher Ausstattung auf einer Fläche von 100 qm. Dieses Modell soll Familien mit geringem Einkommen ein Eigenheim ermöglichen, scheitert nach ersten guten Erfahrungen aber an den Ansprüchen der meisten Interessierten.

 

Chancen und Stabilität

Seit den 1980er Jahren stellt sich die GSW der Herausforderung, günstige Eigenheime und Mietwohnungen zu schaffen und zugleich wirtschaftliche Stabilität zu wahren. Den damals rund 90 Mitarbeitern gelingt dies durch eine gute Mischung vielfältiger Aufgaben: Günstige Eigenheime baut die GSW weiter in eigener Regie, erweitert den eigenen Bestand an Mietwohnungen und engagiert sich bei Sozialbauten. Dabei betreut sie kommunale, kirchliche und private Bauherren.

Die GSW ist in der Region gut vernetzt, immer wieder erhält sie Aufgaben aus dem Umfeld der kirchlichen Gesellschafter und kann Gelegenheiten nutzen. 1984 erweitert sie zum Beispiel für den Caritasverband ein zehn Jahre zuvor errichtetes Altenpflegezentrum um mehr als 90 Plätze, wenig später stellt sie 27 Reihenhäuser in Frankfurt-Unterliederbach für Mitarbeitende der Höchst AG fertig.

Sie baut Sozialwohnungen für Spätaussiedler und 1985 30 günstige Reihenhäuser im Rahmen des „Frankfurter Programms für familien- und seniorengerechten Mietwohnungsbau“. 1987 kauft sie in Bad Orb eine leerstehende Möbelfabrik und baut auf dem 2100 qm großen Grundstück eine Seniorenwohnanlage, von Mainz aus betreut sie in Flörsheim den Bau von Eigenheimen in der Siedlung des Keramikherstellers KERAMAG.

Die schwierigen Jahre für den Eigenheimbau sind vorbei, Ende der 1980er Jahre erzielt die Gesellschaft ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis. 1989 vermietet die GSW rund 5000 Wohnungen. Zu den Bedürftigen, die von den niedrigen Mieten beim katholischen Wohnungsunternehmen profitieren, gehören inzwischen neben Sozialhilfe-Empfängern auch Aus- und Übersiedler aus den Ländern des Ostblocks. Mit diesem Personenkreis, der durch die beginnende Öffnung des Eisernen Vorhangs innerhalb Europas mobil wird, bekommt die GSW bereits die ersten Auswirkungen der sich anbahnenden großen weltpolitischen Veränderungen zu spüren. Doch niemand kann ahnen, dass 1989 die deutsch-deutsche Grenze geöffnet wird und damit auch für die GSW ein neues Kapitel beginnt.